Rudi Gutendorf

* 30.08.1926 in Koblenz
† 13.09.2019

Angelegt am 16.09.2019
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Über den Trauerfall (4)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Rudi Gutendorf, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

Rudi Gutendorf

16.09.2019 um 09:21 Uhr von Redaktion

Rudolf „Rudi“ Gutendorf (* 30. August 1926 in Koblenz; † 13. September 2019) war ein deutscher Fußballspieler und -trainer. Er gilt als der Trainer mit den meisten internationalen Engagements und steht als solcher auch im Guinness-Buch der Rekorde. Aufgrund seiner vielen Trainerstationen und seiner langen Trainerkarriere wurde Gutendorf auch Rudi Rastlos genannt.

Werdegang

16.09.2019 um 09:20 Uhr von Redaktion

Als Spieler

Der 1926 in Koblenz-Neuendorf geborene Gutendorf spielte von frühester Jugend an Fußball. Vom Vater erbten er und Bruder Werner die Liebe zum Fußball, von Großvater „Up“ – er war Berufsfischer und sein Fanggebiet die untere Mosel bis zum Deutschen Eck – die Leidenschaft für das Fischen. Jupp Gauchel, 1936 erstmals in die Nationalmannschaft nominiert, wurde neben Jakob Oden und „Harry“ Aurednik zu seinem großen Vorbild. Der talentierte Jugendspieler der TuS Neuendorf wurde öfters in die damalige Gebietsauswahl-Mannschaft berufen und nahm mit 16 Jahren am Training der 1. Mannschaft teil. Durch die Kriegsumstände bedingt, laufend waren Spieler an die Front abgestellt, kam er noch als 16-Jähriger in einem Spiel der Wettkampfmannschaft von Neuendorf zum Einsatz. Bei einem 5:4-Erfolg gegen den VfR Mannheim spielte er auf Rechtsaußen an der Seite von Nationalspieler Gauchel und erzielte einen Treffer. Nach diesem Spiel durfte er fast jeden Sonntag auf der Rechtsaußen-Position, die mit der Zeit seine Stammposition wurde und die er bei der TuS bis 1952 behalten sollte, mitwirken. Anfangs in der Gauliga Moselland, nach dem Zweiten Weltkrieg in der Oberliga Südwest. 17-jährig bestritt der Nachwuchsspieler am 16. April 1944 bei einer 0:5-Auswärtsniederlage beim FC Schalke 04 sein erstes Spiel in der Endrunde um die deutsche Fußballmeisterschaft. Auch nach dem 1944 erfolgten Einzug in die Wehrmacht spielte Gutendorf fast ausschließlich Fußball, wurde laufend beurlaubt und nicht zur Front abgestellt. Auch in der Gefangenschaft hatte er das Glück, in einer Mannschaft spielen zu können. Nach der Rückkehr in das kriegszerstörte Neuendorf konnte er zwar fast sofort wieder mit dem Fußball beginnen, hatte aber den Tod seines Vaters, das zerstörte Elternhaus und die Inhaftierung seines jüngeren Bruders Werner durch die französische Militärverwaltung, zu verkraften. Er bezeichnete es später als unglaublichen Glücksfall, dass keiner aus der vormaligen TuS-Stammmannschaft im Krieg gefallen oder zum Krüppel geschossen worden war. Jupp Gauchel agierte als Trainer – mit dem sicheren Instinkt eines starken Anführers verkörpert er die alles überragende Leitfigur der Mannschaft –, und die TuS hatte große Erfolge zu verzeichnen. Als Krönung dieser Erfolge bezeichnet Gutendorf das Spiel in der Endrunde um die deutsche Fußballmeisterschaft 1947/48 am 18. Juli 1948 im Dortmunder Stadion Rote Erde, gegen den klar favorisierten Hamburger SV, wo der Meister der britischen Zone mit anerkannten Könnern wie Walter Warning, Friedo Dörfel, Heinz Werner, Erwin Reinhardt, Erwin Seeler, Richard Dörfel, Edmund Adamkiewicz und Heinz Spundflasche angetreten war. Mit zwei Treffern von Jakob Miltz, er spielte auf Halbrechts im damaligen WM-System an der Seite von Rechtsaußen Gutendorf, gewann Neuendorf das Vorrundenspiel und stand damit im Halbfinale der ersten deutschen Meisterschaft nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern, den Meister der französisch besetzten Zone, ging am 25. Juli in Wuppertal vor 50.000 Zuschauern, deutlich mit 1:5 verloren.

 

Nach der Währungsreform änderte sich alles, der Fußball wurde wieder zum Geschäft, und Spielertrainer Gauchel war langsamer geworden, wodurch immer stärkere Akzeptanzprobleme auftraten. Gleichzeitig verhalfen die durch Hilfe von TuS-Präsident Robert Weinand bekommenen Toto-Annahmestellen den Spielern zu immer größeren Beträgen, was aus den Fußballern quasi von heute auf morgen Geschäftsleute werden ließ. Aber, so beklagte Gutendorf später, keiner konnte mit dem plötzlichen Wohlstand umgehen; für die TuS begann der sportliche Niedergang..

 

Sein letztes von rund 90 Oberligaspielen mit Neuendorf bestritt er am 19. August 1951 – das Startspiel der Saison 1951/52 – bei einem 1:1-Auswärtsremis bei Eintracht Trier. Eine Lungenerkrankung zwang ihn anschließend zu einer einjährigen Pause. Obwohl er auch in der Folge noch zum Kader der TuS gehörte, war seine aktive Spielerlaufbahn praktisch beendet. Stattdessen wendete sich Gutendorf, der schon in den Jahren zuvor verschiedene unterklassige Vereine aus dem Koblenzer Einzugsgebiet trainiert hatte, nun endgültig einer Karriere als Trainer zu.

 

Sein Bruder Werner (* 1. März 1929 – † 1995) war ebenfalls Oberligaspieler und trat als Torhüter für TuS Neuendorf und FC Bayern München an.

 

Als Trainer

Allgemein

Die Liste seiner Trainertätigkeit weist 54 Stationen auf, die er häufig nur kurze Zeit innehatte. Darunter sind Tätigkeiten als Nationaltrainer in Australien, Bolivien, Trinidad und Tobago, der Volksrepublik China, Fidschi, Tonga, Tansania, Nepal und Ruanda. Seinen größten Erfolg als Nationaltrainer erreichte er mit Chile, durch den Sieg in der Gruppe 3 der südamerikanischen Qualifikation qualifizierte es sich für das Interkontinentale Play-Off gegen die UdSSR um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1974. Zwei Wochen vor dem Hinspiel in Moskau musste Gutendorf als Freund Salvador Allendes wegen des Putsches in Chile 1973 das Land und die Mannschaft verlassen. In der Bundesliga war er für die Vereine Meidericher SV (heute MSV Duisburg), VfB Stuttgart, FC Schalke 04, Kickers Offenbach, Tennis Borussia Berlin, Hamburger SV sowie dem TSV 1860 München (damals 2. Liga) als Trainer aktiv. Insgesamt saß er in der Ersten Bundesliga 227-mal auf der Trainerbank (82 Siege, 60 Unentschieden, 85 Niederlagen, 327:374 Tore).

 

Erste Stationen in der Schweiz

Von seiner Lungenerkrankung genesen, machte Gutendorf in Köln bei Sepp Herberger seine Ausbildung zum Fußball-Lehrer. Nach erfolgreichem Abschluss erhielt er die DFB-Trainerlizenz Nr. 330. Bevor er auf Jobsuche als Trainer ging, musste er auf Rat seines Arztes noch eine Ausheilungskur im klassischen Schweizer Sanatoriumsort für Lungenkranke in Davos durchführen. Durch eine Anzeige im Schweizer Sport wurde er kurz vor Weihnachten 1954 auf die Trainersuche eines Züricher Vereines aufmerksam. Nach Vorstellung und Probetraining bekam er die Stelle als Spielertrainer bei Blue Stars Zürich in der Nationalliga B. Er belegte am Rundenende den rettenden 12. Rang und hatte damit sein Gesellenstück als Trainer abgeliefert. Durch die Arbeit in Zürich wurde der FC Luzern auf ihn aufmerksam und es ergab sich eine erfolgreiche fünfjährige Tätigkeit, welche in dem Aufstieg 1957/58 und dem Gewinn des Schweizer Cup 1959/60 gipfelte.

 

In der deutschen Oberliga, Bundesliga, Regionalliga und 2. Bundesliga

Gutendorf begann seine Trainerkarriere im deutschen Spitzenfußball im letzten Jahr der alten erstklassigen Oberliga, 1962/63, beim TSV Marl-Hüls in der Oberliga West. Die Blau-Weißen aus dem nördlichen Ruhrgebiet waren 1959/60 in die Erstklassigkeit der Oberliga West aufgestiegen. Der aus Tunesien in die Bundesrepublik zurückgekehrte Neuendorfer eröffnete mit Marl-Hüls am 18. August 1962 mit einer 1:11-Auswärtsniederlage bei Borussia Dortmund die Verbandsrunde. Belastet ist die Konzentration auf die Arbeit zu Beginn in Marl-Hüls mit einer völlig überraschenden und sich dann als kräfteraubenden Angelegenheit herausstellenden Planung einer Wettspielreise für den U.S. Monastir durch die Bundesrepublik Deutschland. Am Rundenende belegte er mit den „Blauen Funken“ mit 37:69 Toren und 18:42 Punkten den 16. Rang. Damit hatte das Team um den späteren Bundesligastar Heinz van Haaren die meisten Gegentore bekommen, gemeinsam mit Viktoria Köln, das als Acht-Platzierter unter Trainer Hennes Weisweiler mit 81 Toren aber auch die meisten Treffer erzielt hatte. Von einer speziellen Abwehrtaktik zur Vermeidung von vielen Gegentoren war in Marl-Hüls wie auch bei Viktoria Köln in dieser Saison nichts zu sehen gewesen. Die Leistung der Mannschaft hatte sich aber in der Rückrunde mit 13:17 Punkten und 14:22 Toren deutlich gegenüber der desaströsen Hinrunde mit 5:25 Punkten und 23:47 Toren verbessert, wobei insbesondere die zwei Heimsiege mit jeweils 1:0 gegen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 herausragten. Mehrere Ergebnisse und zeitliche Angaben auf den Seiten 134 und 135 des Gutendorf-Buches Mit dem Fußball um die Welt über die Runde mit Marl-Hüls stimmen nicht: Es gab kein 0:6 gegen RW Oberhausen, keine 0:8-Packung gegen Schalke 04 und auch der 1. FC Köln putzte nicht den TSV mit 8:1 weg, und schon gleich gar nicht spielte dabei der blutjunge Wolfgang Overath – dessen Debüt fand erst in der nachfolgenden Spielzeit in der Bundesliga statt – mit.

 

Zur Saison 1963/64 bekam Gutendorf die Trainerstelle beim Meidericher SV. Die „Zebras“ hatten unter Trainer Willi Multhaup im Jahr zuvor überraschend Platz 3 der Oberliga West belegt sich damit für die neu geschaffene Bundesliga qualifiziert. Multhaup wechselte jedoch zu Werder Bremen, wo er 1965 mit dem Team vom Weserstadion deutscher Meister wurde. Bei der Nachfolgefindung traf sich der damals 35-jährige Gutendorf mit Josef Schwickert, dem 2. Vorsitzenden des MSV, in einer bekannten Kölner Kneipe zu Vertragsverhandlungen. Beide waren sich so schnell einig, dass die Vertragsmodalitäten auf der Speisekarte des Hauses „Maria im Bildchen“ notiert wurden. Gutendorf übernahm eine gewachsene Mannschaft, die mit dem Techniker und Spielmacher Werner Krämer einen der neuen Helden der Bundesliga in ihren Reihen hatte. In der leistungsstarken Oberliga West den 3. Rang erreicht zu haben, war eine Auszeichnung, die sich in den nächsten Jahren in der Bundesliga durch Aufsteiger wie Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf, Rot-Weiss Essen, Alemannia Aachen, Rot-Weiß Oberhausen, Arminia Bielefeld, VfL Bochum, Wuppertaler SV, Fortuna Köln und Bayer Uerdingen bestätigen sollte. Dazu kam, dass der neu zum Verein gekommene Torhüterriese Manfred Manglitz ein Volltreffer wurde; aber auch die acht Treffer des 54er-Weltmeisters Helmut Rahn trugen zum guten Start in die Bundesligaära bei. Durch seine taktische Maßnahme, die Verteidigerposten mit den zwei offensivstarken Spielern Hartmut Heidemann und Johann Sabath zu besetzen, legte er den Grundstein für das bald gefürchtete „Rollsystem“ des MSV. Die Angreifer waren nicht lediglich in der Offensive, die Abwehrspieler dagegen auch nicht lediglich in der Defensive beschäftigt. Sepp Herberger soll in einem Interview erklärt haben: „Rudis Rollsystem wird von einer Spielerwoge praktiziert, die mal geballt vorn, mal massiv hinten ist. Es ist durchdacht, mir gefällt es.“ Das erste Opfer wurde am Starttag, dem 24. August 1963, der Karlsruher SC im heimischen Wildparkstadion vor erwartungsvollen 40.000-Zuschauern. Zur Halbzeit führten das Gutendorf-Team bereits mit 3:1 und war beim 4:1-Erfolg in keinster Weise gefährdet.

 

Aufgrund der Defensiv-Taktik, mit der er mit dem Meidericher SV in der ersten Bundesliga-Saison der Geschichte die Vizemeisterschaft erreichte, erlangte er den Spitznamen „Riegel-Rudi“. Mit 36 Gegentoren stellte Meiderich die beste Defensive. Wie weit „sein Abwehrrecke“ Dieter Danzberg daran auf dem Platz Anteil hatte, erschließt sich aus der zeitlichen Distanz bei seinen sieben Rundeneinsätzen nicht. Danzberg war im letzten Jahr der Oberliga mit 28 Rundenspielen und sechs wichtigen Toren entscheidend am sportlichen Erfolg beteiligt gewesen, aber in der Bundesliga gehörte er nicht mehr der Stammbesetzung an. Abgerundet wurde die Saison 1963/64 – die als beste Bundesligasaison des Vereins in die Vereinshistorie eingeht – durch eine Nordamerikareise der Gutendorf-Trupp, die durch seine persönliche Vermittlung möglich geworden war. Absoluter Höhepunkt waren dabei drei Spiele gegen den englischen Spitzenclub FC Liverpool, von denen man zwei gewinnen konnte.

 

In der Rückrunde 1964/65 erfolgt die Trennung zwischen Gutendorf und Meiderich: Erst wurde mit Hermann Eppenhoff am 5. Februar 1965 bereits der Nachfolger bekannt gegeben, dann wurde der 37-Jährige am 20. Februar mit sofortiger Wirkung zunächst beurlaubt, schließlich fristlos entlassen. In einem Streitgespräch mit dem kommissarischen Vorsitzenden Tiefenbach soll er beleidigend geworden sein. Gutendorfs Assistent „Ömmes“ Schmidt übernahm die Trainingsleitung. Hauptgrund für die Entlassung von Rudi Gutendorf war dessen bevorzugtes 4-2-4-Spielsystem. Vielen Verantwortlichen war der „Schweizer Riegel“ ein Dorn im Auge, dabei kopierten viele deutsche Mannschaften diesen erfolgreich. Die Pause war aber nur von kurzer Dauer: Bereits am 8. März übernahm Gutendorf den VfB Stuttgart, wo Kurt Baluses bereits am 24. Februar interimsweise von Franz Seybold ersetzt worden war. Die Verzögerung war dem Spiel des MSV am 6. März im Neckarstadion geschuldet. Mit dem damaligen Tabellenzehnten aus dem Schwabenland startete Gutendorf am 20. März mit einer 0:1-Auswärtsniederlage bei Werder Bremen in die Mission Klassenerhalt. Mit Heimsiegen gegen TSV 1860 München (3:0) und 1. FC Kaiserslautern (1:0) und dem 3:2-Auswärtserfolg bei Eintracht Frankfurt am 30. April gelang der Auftrag, der VfB landete auf dem rettenden 12. Rang. Nach dem 3:0 gegen die „Löwen“ von Max Merkel war Optimismus in Stuttgart aufgekommen. Bei Grüne ist festgehalten: „Wo die Mannschaft unter Baluses noch zutiefst verunsichert, beinahe lustlos und vor allem im Angriff erschreckend harmlos agierte, kämpft sie nun mit unbändigem Kampfgeist und gefürchteter Konterstärke um jeden Ball.“ Vor Saisonbeginn 1965/66 versprach Gutendorf Großartiges beim VfB: Auf sein Betreiben war mit dem Jugoslawen Vladica Popovic erstmals internationales Flair im Neckarstadion eingezogen, wo der VfB jedoch nur selten überzeugen konnte. Der von Roter Stern Belgrad losgeeiste Popovic wurde rasch als „Fehleinkauf“ abgeschrieben, während der aus Wien gekommene Peter Aust zu keinem einzigen Einsatz kam. Die dritte Bundesligasaison der Canstatter endete auf einem unscheinbaren elften Platz, obwohl der VfB in der Rückrunde die drittschlechteste Mannschaft der auf 18 Teilnehmer aufgestockten Liga gestellt hatte.

 

Trotz schillernder Neuzugänge wie Gilbert Gress (Straßburg) und Bo Larsson (Malmö) schaufelte der VfB unter Trainer Gutendorf in der Hinrunde 1966/67 vom 4. bis zum 16. Spieltag kümmerliche fünf Zähler auf sein Konto und fand sich in der Abstiegszone wieder. Dass Gutendorf zeitgleich mit dem Fußballverband der USA über einen Wechsel verhandelte, vergrätzte die VfB-Führung zusätzlich, und so kam sein Rauswurf zum 6. Dezember 1966 wenig überraschend. Der VfB Stuttgart belegte nach der 1:4-Auswärtsniederlage am 3. Dezember 1966 beim Karlsruher SC mit 11:19-Punkten den 17. Rang. Die Aussage von Gutendorf, „als ich Ende 1966 von Stuttgart mit einem weinenden und einem lachenden Auge Abschied nehme, steht der VfB gesichert im Mittelfeld“, ist nach dem Tabellenstand, nicht nachvollziehbar.

 

Nach zwei Jahren in den USA bei den St. Louis Stars in der North American Soccer League, die bis in die 1980er Jahre hinein für globale Aufmerksamkeit sorgen sollte, bekommt Gutendorf im November 1968 ein Angebot aus der Bundesliga: Der FC Schalke 04 steht mit 10:20-Punkten auf dem 17. Platz und der neue Präsident Günter Siebert entlässt den Ex-Schalker Günter Brocker und holt Gutendorf auf Schalke. Mit den zwei Neuzugängen Heinz van Haaren und Herbert Lütkebohmert, sowie dem Rückkehrer Reinhard Libuda in die Runde gestartet, war das schlechte Abschneiden in der Hinrunde unter Brocker nicht länger hinnehmbar. Der wortgewandte Mann aus Neuendorf, mit internationalem Status, Dynamik und Ehrgeiz ausgestattet, legte in Schalke eine großartige Arbeit hin: Er holte aus den restlichen Spielen in der Bundesliga 25:13-Punkte, beendete damit auf dem 7. Rang die Saison und hatte zudem das Team um die Korsettenstangen Norbert Nigbur, Klaus Fichtel, van Haaren, Gerhard Neuser, Libuda und Hans-Jürgen Wittkamp in das DFB-Pokalfinale geführt. Gutendorf war ein Mann von anderem Format, führte profimäßiges Training und ein modernes Spielsystem ein. Dazu gibt er der Mannschaft neues Selbstvertrauen. Norbert Nigbur äußert sich dazu näher: „Mit dem Mann kam Farbe in den Verein. Schon damals hatte Gutendorf viel von der Welt gesehen, war im Ausland erfolgreich, er hatte ein gewisses Flair. Das tat Schalke gut, denn solange ich bis dahin dort war, spielte sich gedanklich alles rund um den Schalker Markt ab ... Gutendorf brachte ein neues Denken. ... Es ging nicht mehr um die Frage, ob und wie wir den rettenden 16. Platz packen, sondern darum, wie wir ins obere Tabellendrittel kommen. Sowas zu vermitteln, ist bei einer Profimannschaft immer auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Inwieweit kann man den Mann ernst nehmen? Dem Gutendorf traute man es zu, dass er den Mumm dazu hat. All das riss die Spieler mit. Es hatte auch damit zu tun, dass der Gutendorf ein perfekter Showmann war. So gesehen war er der Vorgänger vom Udo Lattek.“ Das Pokalfinale gewann der FC Bayern München mit 2:1 durch zwei Treffer von Rekordtorjäger Gerd Müller; damit gelang dem Team von Trainer Branko Zebec der Double-Erfolg.

 

Der Start in die Saison 1969/70 gelingt mit 13:5-Punkten aus neun Spielen erhofft gut; damit gehörte Schalke der Tabellenspitze an. In der Rückrunde lief es aber nicht mehr nach Plan, das Schlussergebnis mit 34:34-Punkten reichte lediglich zum 9. Rang. In den Auswärtsspielen spielte das Gutendorf-Team nur 12:22-Punkte ein. Zusätzlich zur Bundesligarunde trat Schalke noch im Europapokal der Pokalsieger an. Über Shamrock Rovers, IFK Norrköping und mit zwei Erfolgen gegen Dinamo Zagreb (3:1, 1:0) zog Schalke in das Halbfinale gegen Manchester City ein. Das Hinspiel in Schalke wurde mit einem Libuda-Treffer mit 1:0 gewonnen, an der Maine Road ging Gutendorfs-Mannschaft aber im Rückspiel gegen den späteren Cup-Sieger mit 1:5 unter. Während der Runde hatte es schon mehrfach Streit zwischen Präsident Siebert und Trainer Gutendorf gegeben.

 

Zur Runde 1970/71 kam mit Klaus Fischer ein Torjäger nach Schalke und Siebert nahm bereits nach dem vierten Spieltag – einer 0:1-Heimniederlage am 5. September 1970 gegen Hertha BSC – die Gelegenheit wahr und entließ Gutendorf aus seinem Vertrag. Schalke hatte aus den ersten vier Spieltagen 4:4-Punkte geholt. Laut Gutendorf hakte es zwischen ihm und dem Schalker Präsidenten: „Sage ich hü, ruft er hott. Gewinnen wir, hat er gewonnen. Kassieren wir eine Niederlage, dann habe ich verloren. Listig verschlüsselt, lässt er das bei den Medien durchblicken.“

 

Die Bundesligapause währte aber nur kurz: Ab dem 28. September 1970 übernahm Gutendorf den amtierenden DFB-Pokalsieger Kicker Offenbach. Wiederum begab er sich aber in die Abhängigkeit eines fast autokratisch führenden Vereinspräsidenten: Horst-Gregorio Canellas war der „Macher“ vom Team am Bieberer Berg, gegen seine Entscheidungen gab es kein ernsthaftes Gegengewicht. Letztes Beispiel seiner „Allmacht“ war die Trainerbesetzung vor der Bundesligarückkehr im Sommer 1970. Aufstiegstrainer Zlatko Cajkovski wurde entlassen und durch Aki Schmidt von Jahn Regensburg ersetzt, da der erfolgreiche Interimstrainer Kurt Schreiner nicht weiter zur Verfügung stand. Aber bereits nach dem achten Rundenspieltag, den 26. September nach einem 3:3-Heimremis gegen den VfB Stuttgart, war die Uhr für den einstmaligen WM-Teilnehmer 1958 in Schweden abgelaufen. Canellas holte den in Schalke geschassten Gutendorf in einer Blitzaktion nach Offenbach. Das erste Pflichtspiel hatte es in sich: Offenbach hatte das Rückspiel im Europapokal der Pokalsieger am 1. Oktober 1970 beim FC Brügge zu bestreiten, das Polster war nach dem 2:1-Heimerfolg aus dem Hinspiel nicht üppig. Die Belgier setzten sich mit 2:0 durch und damit war das Abenteuer Europapokal für Offenbach nach der ersten Runde beendet und auch des erste Spiel in der Bundesliga brachte zwei Tage danach mit 0:4 eine desillusionierende 0:4-Auswärtsniederlage beim 1. FC Kaiserslautern zustande. Der Start von Gutendorf in Offenbach war damit nicht geglückt. Als auch noch mit dem Pokalverteidiger am 12. Dezember 1970 in der 1. Hauptrunde beim Südregionalligisten VfR Heilbronn mit einer 0:2-Niederlage vorzeitig dieser Wettbewerb zu Ende gegangen war, war es nur noch eine Frage der Zeit, wann Canellas wieder handeln würde. Nach der 0:3-Niederlage am 13. Februar 1971 bei Eintracht Braunschweig, Offenbach stand mit 15:27-Punkten auf dem 16. Rang, war die Zeit für Gutendorf in Offenbach abgelaufen. Die Vertragsauflösung erfolgte zum 23. Februar und Kuno Klötzer übernahm für den Rest der Runde die Hessen.

 

Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Südamerika übernahm er als Nachfolger von Elek Schwartz im letzten Jahr der alten, erstklassigen Fußball-Regionalliga Süd, 1973/74, den TSV 1860 München. Typisch für den „Weltenbummler“ wird im Löwen-Buch von Grüne und Melchior notiert, „Gutendorf hätte einer Legende zufolge beim Frühstück im Bayerischen Hof von den Trainersorgen der Sechziger gelesen und daraufhin spontan seine Dienste angeboten.“ Für die „Löwen“ gab es nur ein Ziel: Aufstieg. Mit einem 4:0-Auswärtserfolg bei Jahn Regensburg starteten die Sechziger am 12. August 1973 in die Runde. Zum ersten Heimspiel kam der FC Augsburg am Mittwoch, den 15. August, in das ausverkaufte Olympiastadion. In der „Fuggerstadt“ herrschte völlige Euphorie, Helmut Haller war aus Turin nach Augsburg zurückgekehrt, und Augsburg hoffte ebenfalls auf den Bundesligaaufstieg. Angesichts des gewaltigen Zuschauerinteresses, das dies Partie in München und Augsburg auslöste, erwies sich selbst das Olympiastadion als zu klein. Die Arena war mit rund 80.000 Menschen bereits zum Bersten gefüllt, als die Löwen mit ihrem Führungstor in der 3. Minute und dem damit verbundenen Jubel die noch vor den Toren Wartenden dazu animierten, kurzerhand die Absperrungen zu überrennen und ins Stadion zu laufen. Nach unterschiedlichen Angaben befanden sich schließlich zwischen 90.000 und 100.000 Fans im Stadion – eine nie wieder erreichte Zahl.

 

Mit Neuzugängen wurde für das Vorhaben Bundesligaaufstieg nicht gegeizt: Es kamen zu Rundenbeginn Torhüter Fahrija Dautbegovic, Hans-Josef Hellingrath, Karl-Heinz Mrosko, Werner Luxi und Wilhelm Bierofka und im Laufe der Hinrunde wurden noch mit Alfred Kohlhäufl, Wolfgang Gayer und Bernd Patzke beachtliche Nachverpflichtungen getätigt. An der Seite von Mitspielern wie Hans-Joachim Weller und Georg Metzger erzielte Mittelstürmer Ferdinand Keller zwar 22 Tore, es reichte aber lediglich zum 3. Rang und damit wurde der Einzug in die Bundesligaaufstiegsrunde verpasst. Alleine die zwei mit jeweils 0:1 verlorenen Spiele gegen den FC Schweinfurt 05, die Unterfranken belegten den 15. Rang in der Schlusstabelle, hätten bequem zur Vizemeisterschaft gereicht. Gutendorf gelang es nicht, das einzelspielerische Vermögen der Löwentruppe vollständig abzurufen. Es ging in der Saison einmal mehr drunter und drüber bei 1860. Es gab auch neben dem Platz um Gutendorf Querelen, unter anderem wegen einer Vaterschaftsklage aus Chile. Am Rundenende war Schluss in München.

 

Die nächste Traineranstellung in Deutschland bekam Rudi Gutendorf zur Saison 1975/76 durch Präsident Jean Löring in der 2. Fußball-Bundesliga bei SC Fortuna Köln. Im zweiten Jahr der 2. Bundesliga trat er in der Kölner Südstadt die Nachfolge von Martin Luppen an. Aus den ersten vier Spielen sammelte er mit der Fortuna 7:1-Punkte, aber dann ging es bergab. Nach dem elften Spieltag, einem 1:1-Heimremis am 25. Oktober 1975 gegen Alemannia Aachen, übertrug Löring bereits Heinz Hornig den Cheftrainerposten bei seinem Verein, Gutendorf war bereits nach vier Monaten gescheitert. Auf dem 14. Rang mit 10:12-Punkten stehend, war bei Spielern wie Wolfgang Fahrian, Noel Campbell, Rolf Dohmen, Wolfgang Glock, Roland Hattenberger, Otmar Ludwig, Karl-Heinz Mödrath, Friedhelm Otters, Hannes Linßen, Julio Baylón, Karl-Heinz Struth und Lothar Wesseler der Glaube an den Trainer bei Präsident Löring nicht mehr vorhanden, da er unbedingt zurück in die Bundesliga wollte.

 

Da Aufstiegstrainer Helmuth Johannsen beim 2. Ligameister der Saison 1975/76, Tennis Borussia, überraschend zurückgetreten und in die Schweiz nach Zürich gewechselt war, und für die schwere Aufgabe mit den „Veilchen“ den Klassenerhalt in der Bundesliga zu erreichen nicht gerade eine Welle an Traineraspiranten auf TeBe einbrach, konnte Gutendorf nach dem Desaster bei Fortuna Köln sogar in der 1. Liga an seinem angekratzten Renommee arbeiten; er wurde zur Saison 1976/77 Bundesligatrainer bei Tennis Borussia. In seiner Biografie aus dem Jahr 1987 hält der neue TeBe-Trainer fest: „Im Cafe Kranzler trinke ich einen Underberg gegen mein Sodbrennen. Es war schwer wegzukriegen, seit mein neuer Club seine zwei besten Spieler (Norbert Stolzenburg, Norbert Siegmann) verkaufen mußte. Hätte ich das gestern gewußt, hätte ich den Vertrag nicht unterschrieben. Ich gebe noch drei Autogramme an Fußballfans, die mir etwas mitleidig gratulieren zu meinem Mut, den Kirchenmaus-Club Tennis Borussia übernommen zu haben.“ Sicherlich waren Torjäger Stolzenburg und Defensivspezialist Siegmann herbe Verluste, aber der Zugang des schwedischen Angreifers Benny Wendt, im Rundenverlauf erzielte er 20 Tore, war ein Glückstreffer und eine klare Verbesserung in der Qualität gegenüber dem Aufstiegsjahr. Auch die Zugänge von Lothar Schneider und Ernst Savkovic verbesserten den Spielerkader. Dass im Verlauf der Runde noch mit Volkmar Groß, Hans-Jürgen Baake, Dieter Hochheimer und Winfried Stradt deutlich nachgelegt wurde, ist Tatsache und bei der Bewertung des zur Verfügung stehenden Spielerkaders zu berücksichtigen. Nimmt man noch die zwei Leistungsträger aus der vormaligen Aufstiegself mit Ditmar Jakobs und Winfried Berkemeier hinzu, so ergibt sich keineswegs das Bild einer klar überforderten Mannschaft. Zählt man alles zusammen, dann war Qualität vorhanden, nicht im Überfluss und auf der Auswechselbank, aber ausreichend für eine konkurrenzfähige Mannschaft. Zudem, eine Mannschaft von dem anerkannten Fachmann Helmuth Johannsen zu übernehmen, das bedeutete in diesen Jahren eindeutig ein Fundament zu übernehmen, auf dem man aufbauen oder fortfahren konnte. Ein wirklicher Verlust bedeutete die tragische Erkrankung des quirligen Flügelstürmers Albert Bittlmayer, welcher zu keinem Spieleinsatz mehr kam und am 2. Juni 1977 verstarb.

 

Die 10:24-Punkte nach Ende der Hinrunde mit 25:55-Toren waren einfach schlecht, zumal für einen Trainer der zumindest nach eigener Aussage, ein Meister des durchdachten Defensivspiels war, siehe das vielzitierte „Rollsystem“ mit Meiderich in der Saison 1963/64. Daran änderten auch nichts die überraschenden Erfolge gegen den 1. FC Köln (3:2), FC Bayern München (3:1) und der Sieg im Lokalderby am 16. April 1977 mit 2:0 gegen Hertha BSC. Mit 22:46-Punkten und 47:85-Toren stieg Tennis Borussia nach dem 34. Spieltag im Mai 1977 aus der Bundesliga ab. In seiner Biografie Mit dem Fußball um die Welt schildert Gutendorf dagegen in subjektiver Betrachtung seine Arbeit mit TeBe in anderer Weise: „Ich rührte die Werbetrommel, wo ich nur konnte, ich ließ mein goldfarbenes Sport-Cabrio versteigern, um Geld für Spielereinkäufe zu mobilisieren, und ich nahm mir viel Zeit für die Journalisten. Das alles imponierte den Berlinern. Tennis Borussia, bisher ein Verein ohne Zuschauer, war plötzlich in. Zumal es einige sportliche Erfolge gab. Durch hartes Training und demonstrative Zuversicht hatte ich die überforderte Mannschaft zu ungeahnten Höhenflügen motiviert. Wir schlugen Tabellenführer 1. FC Köln mit 3:2, die Bayern samt Beckenbauer mit 3:1, den übermächtigen Lokalrivalen Hertha mit 2:0. Gegen den starken HSV holten wir ein Unentschieden.“

 

HSV-Generalmanager Peter Krohn hatte an den Auftritten von Gutendorf neben dem Platz anscheinend Gefallen gefunden und holte ihn als Nachfolger von Kuno Klötzer zur Saison 1977/78 zum Hamburger SV. Der HSV hatte in der zurückliegenden Runde den 6. Platz belegt und am 11. Mai 1977 in Rotterdam mit einem 2:0 gegen den RSC Anderlecht den Europapokal der Pokalsieger gewonnen. Da Krohn den guten Kader auch noch mit Jugoslawiens „Fußballer des Jahres“, Ivan Buljan und Weltstar Kevin Keegan vom FC Liverpool massiv verstärkte, musste eindeutig um die Bundesligameisterschaft und im Europapokal um die Titelverteidigung gespielt werden. Das mit dem FC St. Pauli ein zweiter Vertreter Hamburg in der Bundesliga vertreten sollte, ging in der Medienlandschaft fast völlig unter. Viel wichtiger schien, was Manager Krohn und Trainer Gutendorf, die als „ein Herz und eine Seele“ galten, am Sandstrand von Sylt als „Fußball total“ austüftelten. Krohn: „Wir sind das absolute Traumpaar.“

 

Das Startspiel in die Bundesliga ging am 6. August zwar mit 2:5 beim MSV Duisburg überraschend deutlich verloren, durch die folgenden Erfolge gegen 1860 München (3:0), Eintracht Frankfurt (2:0), 1. FC Kaiserslautern (3:1) und den 2:1-Erfolg am 31. August beim VfB Stuttgart, schien die Grundtendenz aber zu stimmen. Das erste Hamburger Derby um Punkte nach 14 Jahren kam da am sechsten Spieltag gerade recht. Der Aufsteiger setzte sich aber am 3. September völlig überraschend und unerwartet mit 2:0 durch und erste Differenzen zwischen Krohn und Gutendorf wurden bekannt. In der Mannschaft waren die „Alteingesessenen“ und der 1976 gekommenen Felix Magath gegen den neuen Trainer. Hinzu kam, dass die Neuzugänge Keegan und Buljan den Europacupsiegern unwillkommen waren. Nach den Niederlagen gegen Eintracht Braunschweig (0:4), im Europapokal gegen RSC Anderlecht (1:2) und der 1:2-Heimniederlage am 22. Oktober 1977 gegen den 1. FC Saarbrücken, war die Zeit für Gutendorf bereits beim Hamburger SV abgelaufen. Der Vertrag von Generalmanager Dr. Krohn wurde auf dessen Wunsch zum 1. November 1977 vorzeitig gelöst und Trainer Gutendorf zum 27. Oktober beurlaubt und als Trainernachfolger der bisherige Co-Trainer Arkoc Özcan ernannt.

 

In der Runde 1985/86 taucht der 59-jährige Rudi Gutendorf nochmals als Trainer im deutschen Profifußball auf: Ab dem 8. Januar 1986 übernimmt er in der 2. Fußball-Bundesliga die um den Abstieg kämpfende Hertha BSC. Unter Uwe Kliemann ging Hertha in die Runde, vom 4. Dezember 1985 bis 7. Januar 1986 wurde der einmalige Nationalspieler aus dem Jahr 1975 von Hans Eder abgelöst, ehe „Weltenbummler“ Gutendorf sich daran versuchte, die Hertha vor dem Abstieg in das Amateurlager zu retten. In der 2. Liga spielten in dieser Runde drei Berliner Vereine: Die Hertha und Tennis Borussia kämpften um den Abstieg und Blau-Weiß 90 um den Aufstieg. Der Trainerroutinier betreute sein neues Team erstmals am 25. Januar 1986 beim Auswärtsspiel gegen Rot-Weiß Oberhausen in der 2. Bundesliga. Das Spiel wurde mit 1:2 verloren. Es folgten drei Remisspiele mit jeweils 1:1 – darunter am 9. Februar gegen den späteren Meister FC Homburg 08 – sowie zwei Niederlagen gegen Fortuna Köln und Hessen Kassel, ehe am 15. März das Spiel gegen den Aufstiegsanwärter Blau-Weiß 90 stattfand. Vor 15.000 Zuschauern trotzte Hertha den Blau-Weißen ein 2:2 ab. Am 8. April gelang im Nachholspiel gegen Tennis Borussia ein 4:0, es folgten aber zwei Niederlagen gegen Darmstadt 98 (2:3) und den MSV Duisburg (0:1) und die Hertha stand nach 34 Spielen mit 26:42-Punkten auf dem 18. Rang. Aus 13 Spielen war Gutendorf auf eine Punkteausbeute von 9:17 gekommen. Hertha BSC ersetzte zum 21. April Gutendorf durch Jürgen Sundermann.

 

Mauritius und Simbabwe (1993 bis 1998)

Als Nachfolger des Franzosen François Blaquart wurde Gutendorf im Jahr 1993 als Nationaltrainer von Mauritius verpflichtet, zum Assistenten des Koblenzers wurde Mukesh Ramrekha. Die Nationalmannschaft des Inselstaates war einige Jahre zuvor bereits vom Deutschen Helmut Kosmehl trainiert worden. Zwischen April und Juli 1993 erzielte die Mannschaft in vier Spielen der Afrika-Cup-Qualifikation lediglich einen Punkt beim torlosen Unentschieden gegen Südafrika. Im August nahm die Nationalmannschaft an den Indian Ocean Island Games auf den Seychellen teil; nachdem man die Vorrunde mit einem Sieg über die Komoren (3:0) und einer Niederlage gegen den späteren Turniersieger Madagaskar (1:2) überstanden hatte, unterlag das Team im Halbfinale der Auswahl Réunions (0:1), konnte allerdings mit einem abschließenden 6:2-Sieg über den Gastgeber den dritten Platz sichern. Neben seiner neunmonatigen Tätigkeit als Nationaltrainer betreute der Koblenzer auch den Verein Sunrise Flacq United. Eigenen Angaben zufolge war Gutendorf im Jahr 1997 zum zweiten Mal mauritischer Nationaltrainer.

 

Rudi Gutendorf übernahm Mitte März 1994 als Trainer die simbabwische Nationalmannschaft, nachdem der bisherige Nationaltrainer Reinhard Fabisch wegen grob unsportlichen Verhaltens von der FIFA für die Dauer von einem Jahr gesperrt worden war. Dieser hatte dem gambischen Schiedsrichter Alhagi Faye im Oktober des Vorjahres beim Länderspiel gegen Kamerun mit einem Geldbündel beworfen und ihm damit Bestechlichkeit vorgeworfen. Gutendorfs Ziel war die erfolgreiche Qualifikation zur Afrikameisterschaft, in die das mit dem „Riegel“ aufspielende Team um Torwart Bruce Grobbelaar vom FC Liverpool mit Siegen über Lesotho (5:0) und Zaire (2:1) sowie einer Niederlage gegen Malawi (1:3) startete. Anfang 1995 wurde Fabisch zum technischen Berater des Nationalteams ernannt. Am 22. Januar besiegten die „Warriors“ im heimischen National Sports Stadium überraschend den WM-Teilnehmer Kamerun durch einen Dreierpack von Vitalis Takawira sowie einen Treffer von Paul Gundani mit 4:1, diesem Sieg sollte ein weiterer Erfolg über Lesotho (2:0) folgen. Wegen Unstimmigkeiten mit der Zimbabwe Football Association (ZIFA) wurde Gutendorf beim 1:1-Unentschieden gegen Malawi am 23. April durch seinen ursprünglichen Assistenten Gibson Homela, dem der Verband die volle Kontrolle übertragen hatte, ersetzt. Nach zwei weiteren Niederlagen unter Homela und dem Schweizer Marc Duvillard und dem Rückzug Lesothos scheiterte schlussendlich die Qualifikation für das Kontinentalturnier 1996.

 

Bei der Jahreshauptversammlung der TuS Koblenz am 31. Oktober 1996 unterlag Gutendorf in einer Kampfabstimmung um den Posten des Vereinspräsidenten dem Amtsinhaber Herbert Heidger mit 58:83 Stimmen. Anfang Januar 1997 übernahm er nach Querelen in der Vereinsführung das Amt des sportlicher Direktor der TuS. Nach weiteren Differenzen innerhalb des Vorstandes über die Aufgabenverteilung und Kompetenzen des Sportdirektors zog sich Gutendorf nach fünf Monaten von seinem Posten zurück. Im August 1998 kündigte das Ehrenmitglied des Verein das Ende seines Engagements für die Blau-Schwarzen an, unterstützte die TuS allerdings vier Jahre später wieder bei der Abwendung eines Insolvenzverfahrens.

 

Über Ruanda und Samoa zurück in die Heimat (1999 bis 2016)

Am 23. Januar 1999 trainierte und betreute Gutendorf in Hachenburg erstmals die von ihm zusammengestellte „Lotto-Elf“, eine Benefizmannschaft von Lotto Rheinland-Pfalz, bestehend aus Prominenten und ehemaligen Fußballspielern wie Horst Eckel, Wolfgang Kleff, Stefan Kuntz und Wolfgang Overath. Im August 1999 war Bernard Makuza, damaliger Botschafter des rheinland-pfälzischen Partnerlandes Ruanda, bei einem Benefizspiel der Mannschaft anwesend; infolge dieses Kontaktes wurde Gutendorf darum gebeten, die ruandische Nationalmannschaft bei einem im Oktober beginnenden sechswöchigen Trainingslager in Bitburg zu coachen. Während dieses Aufenthaltes, bei dem acht Nationalspieler nach Belgien flüchteten und dort politisches Asyl begehrten, betreute der Deutsche tatsächlich die „Amavubi“, die unter anderem zu einem Testspiel gegen den Zweitligisten 1. FSV Mainz 05 (0:3) antraten. In dem vom Völkermord sechs Jahre zuvor gespaltenen Land bereitete Gutendorf, ausgestattet mit einem Viermonatsvertrag, die Nationalmannschaft um Désiré Mbonabucya auf die erste Runde der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2002 vor. Im Hinspiel erreichte die Mannschaft des Weltranglisten-148. am 9. April 2000 im heimischen Stade Amahoro dank Treffern von Hassan Mili und Julien Nsengiyumva überraschend ein 2:2-Unentschieden gegen die Elfenbeinküste, die Nummer 47 der Welt. Beim Rückspiel zwei Wochen später unterlag man den ivorischen „Elefanten“ um Didier Zokora und Ibrahima Bakayoko mit 0:2, womit Ruanda die Weltmeisterschafts-Qualifikation verpasste. Zur Ost- und Zentralafrikameisterschaft, die im November 2000 in Uganda stattfand, kehrte der Deutsche als Nationaltrainer zurück und führte die Mannschaft nach Spielen gegen Uganda B (2:3), Kenia (2:1), Eritrea (1:1), Uganda A (1:3) und Äthiopien (1:1 n. V., 2:4 i. E.) zum vierten Platz. Gutendorf trat anschließend von seinem Posten zurück, sein Nachfolger wurde Longin Rudasingwa.

 

Bereits Mitte 2001 lag Gutendorf ein Angebot vor, als Trainer auf der Südseeinsel Samoa zu arbeiten. Im Februar und März 2003 weilte er dort etwa einen Monat lang, nach einem Trainerlehrgang sollte sich Gutendorf bei dem ursprünglich auf acht Wochen angelegten Aufenthalt der samoanischen U-23-Nationalmannschaft mit Blick auf die (zehn Monate später unter David Brand gescheiterte) Qualifikation zum olympischen Fußballturnier annehmen. Die Kosten für Übernachtungen und Verpflegung übernahm die Football Federation Samoa (FFS), während die Flüge vom Deutschen Fußball-Bund gezahlt wurden.

 

Am 3. August 2003 wechselte sich der 76-Jährige bei einem 11:4-Sieg der „Lotto-Elf“ über eine Altherrenmannschaft in Cochem zum einzigen Mal selbst ein und verschoss einen Elfmeter. Bis zum Juli 2013 stand Gutendorf bei insgesamt 132 Spielen der Mannschaft als Trainer an der Seitenlinie. Im August 2012 bot sich Gutendorf als Trainer und Sportdirektor seines ehemaligen Vereins MSV Duisburg an, nachdem dieser mit zwei Niederlagen in die Zweitligasaison gestartet war; die Offerte wurde jedoch abgelehnt. Im Oktober 2016 wurde Gutendorf zum „Ehren-Coach“ von TuS Koblenz International, der neu gegründeten und ausschließlich aus Flüchtlingen bestehenden dritten Mannschaft der TuS Koblenz; die Medien bezeichneten dies als seine 56. Trainerstation.

Traueranzeige

16.09.2019 um 09:00 Uhr von Redaktion
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Persönliches

16.09.2019 um 09:07 Uhr von Redaktion

Während seiner Trainerzeit beim VfB Stuttgart lernte Gutendorf über seinen Freund Erwin Lehn das Fotomodell Ute Pelzer, eine Fabrikantentochter, kennen. Auf Drängen amerikanischer Frauenverbände heiratete das Paar im August 1967 in der Kathedralbasilika St. Louis. In jener Zeit, als der Deutsche chilenischer Nationaltrainer war, trennte sich das Ehepaar und ließ sich scheiden. Während seiner Amtszeit als Nationaltrainer der „Socceroos“ heirateten Gutendorf und Pelzer ein zweites Mal; diese Ehe war allerdings nicht von langer Dauer. In Australien lernte der Deutsche auch seine zweite Ehefrau kennen, die in Sydney geborene und 36 Jahre jüngere Marika; das Paar hat einen gemeinsamen, Ende 1989 geborenen Sohn.

 

Gutendorf sprach eigenen Angaben zufolge neben Deutsch auch Englisch, Französisch und Spanisch. Er lebte zuletzt in Neustadt (Wied)-Telegraf.

 

Ehrungen und Auszeichnungen

1997: Bundesverdienstkreuz am Bande, am 22. April 1997 in Mainz durch den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck überreicht

„Rudi Gutendorf hat in hervorragender Weise als Entwicklungshelfer im sportlichen Bereich das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gefördert.“

 

– Ordensbegründung (1997)

2002: Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Koblenz am 25. März 2002

2006: Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz, Anfang Dezember 2006 in Mainz durch den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck überreicht

2011: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, am 22. März 2011 in Mainz durch den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck überreicht

„Rudi Gutendorf hat als Weltenbummler und Botschafter des Fußballsports in einem über 50 Jahre währenden Einsatz einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet.“

 

– Ordensbegründung (2011)

2014: Ehrenurkunde der Initiative Deutscher Fußball Botschafter für den „unermüdlichen Einsatz als Trainer von mehr als fünfzig Teams in aller Welt“, am 5. Mai 2014 in Berlin durch den Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier überreicht

2014: Altstadtpreis des Koblenzer Bürgervereins, am 6. Juli 2014 überreicht

Weltrekord mit „55 Trainerstationen“

Viele Medien berichten übereinstimmend von 55 Trainerstationen Gutendorfs zwischen 1946 und 2003. Für die 50. (unten gelistete) Trainerstation erhielt er eigenen Angaben zufolge einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Diese Zahl beruht mutmaßlich auf den eigenen Darstellungen Gutendorfs; die nachfolgende Tabelle verzeichnet alle Stationen wie auf der Website gutendorf-rudi.de und in der Autobiografie Mit dem Fußball um die Welt angegeben:

 

1946–1954: SV Rengsdorf

Rot-Weiß Koblenz

VfB Lützel

SV Braubach

TuS NeuendorfA

1955: FC Blue Stars Zürich (Schweiz)

1955–1960: FC Luzern (Schweiz)

1961: US Monastir (Tunesien)

1962–1963: TSV Marl-Hüls

1963–1964: Meidericher SV

1965–1966: VfB Stuttgart

1966–1968: St. Louis Stars (Vereinigte Staaten)

1968: Nationaltrainer Bermuda

1968–1970: FC Schalke 04

1970–1971: Kickers Offenbach

1972: Sporting Cristal (Peru)

1973: Nationaltrainer Chile

1974: TSV 1860 München

1974: Hallen-Fußball-WM-Manager

1974: Nationaltrainer Bolivien

1974: Club Bolívar (Bolivien)

1974: Venezuela (Trainerausbilder)B

1975: Real Valladolid (Spanien)

1975–1976: SC Fortuna Köln

1976: Nationaltrainer Trinidad und Tobago

1976: Nationaltrainer Grenada

1976: Nationaltrainer Antigua

1976: Nationaltrainer Botswana

1976–1977: Tennis Borussia Berlin

1977: Hamburger SV

1978–1980: Nationaltrainer Australien

1980: Philippinen (FIFA Lecture)

1980: Nouméa (Neukaledonien, Trainerausbilder)B

1981: Fidschi (Trainerausbilder)

1981: Nationaltrainer Nepal (und Trainerausbilder)

1981: Nationaltrainer Tonga

1981: Nationaltrainer Tansania

1981–1982: Yanga Daressalam (Tansania)

1982: Arusha (Tansania, Trainerausbilder)

1982–1984: Yomiuri Nippon FC (Japan)

1984: Hertha BSC

1984: São Tomé und Príncipe (Trainerausbilder)

1985: Nationaltrainer Ghana

1985: Nationaltrainer Nepal

1986: Nepal (Trainerausbilder)

1987: Fidschi (Trainerausbilder)

1987: Nationaltrainer Fidschi

1988: Volksrepublik China (Trainerausbilder)

1988: Olympia-Nationaltrainer Iran

1991–1992: Olympia-Nationaltrainer China

1994–1995: Nationaltrainer Simbabwe

1997: Nationaltrainer Mauritius (und Sunrise Flacq United)

1998: TuS Koblenz (Sportdirektor)

1999–2000: Nationaltrainer Ruanda

2003: Nationaltrainer Samoa

A Diese Trainerstation ist lediglich auf der Website aufgeführt und fehlt in der Autobiographie.

B Auf der Website wird hingegen bei den Stationen in Venezuela und Neukaledonien jeweils „Nationaltrainer“ angegeben, Sekundärquellen haben dies übernommen.

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Rudi_Gutendorf aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported (Kurzfassung (de)). In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.